PM: Sanktionspraxis bei ALG2-Bezieherinnen und Beziehern auch in Spandau seit Jahren hoch

Lars Leschewitz

In Spandau wird bei Bezieherinnen und Beziehern von Arbeitslosengeld II (Hartz IV) wieder mehr sanktioniert. Das geht aus den Antworten des Jobcenters Spandau auf drei Kleine Anfragen (XX0017, XX-0066 und XX-173) des Fraktionsvorsitzenden der Linksfraktion Spandau, Lars Leschewitz, hervor. Waren 2015 noch durchschnittlich 1464 ALGII-Bezieherinnen und -Bezieher pro Monat (2014: 1599) im Bezirk sanktioniert, waren es 2016 schon wieder 1573 Personen, von Januar bis Oktober 2017 sogar schon 1593.

Männer machen die größte Gruppe der Betroffenen aus (1007 im Monatsschnitt). Besonders betroffen sind jedoch die Unter-25-Jährigen (320 Sanktionierte). Erschreckend ist auch der Anstieg bei Bedarfsgemeinschaften mit Kindern (2016: 374, + 7,8 % zu 2014; Jan-Okt 2017: 349) und Alleinerziehenden mit Kindern (2016: 237, + 10,2 % zu 2014; Jan-Okt 2017: 262) gegenüber 2014, obwohl noch 2015 eine Abnahme zu verzeichnen war.

Insgesamt sind derzeit im Schnitt 4,9 % aller Leistungsberechtigten im Spandauer Jobcenter sanktioniert (Jan-Okt. 2017: 1539 von 32526). Bei unter 25-Jährigen liegt die Quote jedoch bei 5,1 % und bei Alleinerziehenden mit Kindern bei 6,0 % über dem Durchschnitt. Etwa 24,6 % der sanktionierten Jugendlichen hat Kürzungen auf die Kosten für die Unterkunft zu verzeichnen, rund 6,5 % (entspricht 20 Jugendlichen im Schnitt) sind vollsanktioniert.

Insgesamt waren von Januar bis Oktober 2017 etwa 47 Personen im Monatsschnitt vollsanktioniert, d.h. sie erhielten vom Jobcenter keine Leistungen mehr. 84 % aller Sanktionen resultierten aus Meldeversäumnissen beim Träger. Weigerungen zur Aufnahme einer Arbeit oder Maßnahme (11 %) oder sonstige Gründe (4,9 %) stellen die Minderheit dar.

Hoch ist jedoch auch die Erfolgsquote bei Widersprüchen gegen Sanktionen: Von Januar bis Oktober 2017 wurden 603 Widersprüche erhoben, von denen 229 Abhilfen geschaffen haben (38 %), hier also Sanktionen wieder zurückgenommen oder abgemildert werden mussten. Von Januar bis September 2016 war sogar die Hälfte aller Widersprüche gegen Pflichtverletzungen vor den Gerichten teilweise oder ganz erfolgreich.

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Die Linksfraktion Spandau lehnt Sanktionen beim Arbeitslosengeld II ab, weil sie Menschen unter das als Existenzminimum definierte Hartz IV drücken. Gerade bei jungen Menschen und Alleinerziehenden, die vielfältige Problemlagen im Alltag zu bewältigen haben, sind Sanktionen kontraproduktiv. Oftmals verschärfen sie Notlagen und Verschuldungen. Notwendig ist stattdessen eine sanktionsfreie Mindestsicherung.

Es bleibt zudem jedem geraten, Widerspruch gegen verhängte Sanktionen zu einzulegen und sich rechtlichen Beistand zu holen, da viele Sanktionen nicht aufrechterhalten werden können. Wichtig ist zudem: Die Jobcenter sind verpflichtet, bei einer Sanktion über 30 % und wenn Minderjährige in der Bedarfsgemeinschaft leben, ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen zu erbringen. Dies können auch Lebensmittelgutscheine sein. Diese „Ermessensleistung“ sollten Betroffene einfordern.

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Hinweis: Alle Zahlen sind monatliche Durchschnittswerte aufgrund der Berechnungsgrundlage des Jobcenters. Das Jobcenter gibt kumulierte Jahreswerte von Sanktionen an, die durch die Anzahl der herausgegriffenen Monate geteilt werden müssen (s. Antwort zu Frage 1b) auf KA XX-0066).